Ryan Gravenberch – der niederländische Pogba
Einmal mehr steuert Ajax Amsterdam in der niederländischen Eredivisie auf den Titelgewinn zu. Zwar ist die PSV Eindhoven dem Serienmeister eng auf den Fersen, doch am Ende wird dann wahrscheinlich wieder Ajax an der Spitze stehen, ähnlich wie der FC Bayern München in Deutschland.
Dabei zeigte man auch in der Champions League beeindruckende Auftritte und lernte in der Gruppenphase unter anderem Borussia Dortmund das Fürchten. Fester Bestandteil dieser außergewöhnlichen Truppe ist Ryan Gravenberch, neuerdings Objekt der Begierde des FC Bayern München. Doch wer ist dieser jünger Niederländer?
Erste Schritte beim AVV Zeeburgia
Gravenberch kam im Mai 2002 in Amsterdam zur Welt und wuchs mit seinem älteren Bruder Danzell auf. Bereits in jungen Jahren erkannte er seine Leidenschaft für den Fußball und begann in der Jugend des AVV Zeeburgia mit dem Kicken. Hier bekam er einen ersten Geschmack von wettkampforientiertem Fußball und erlernte die Grundtugenden.
Besonders lange blieb Ryan allerdings nicht in diesem Verein, denn im Alter von acht Jahren folgte er bereits seinem Bruder und wechselte in die Jugend von Ajax Amsterdam. Dort hatte er schnell sein klares Ziel vor Augen und wollte unbedingt Profifußballer werden. Ab der Mittelstufe in der Schule bedeutete dieses Ziel auch seiner Familie viel und man setzte quasi alles auf diese eine Karte.
Folglich arbeitete Ryan hart für dieses Ziel und vor allem hart an sich. Entsprechend waren seine Fortschritte immens und er wurde nicht nur frühzeitig als größtes Talent im Verein betitelt, sondern auch als eben solches intern ausgezeichnet.
Stammspieler bei Ajax und Sprung in die Elftal
Bis Sommer 2019 schnürte er für diverse Jugendmannschaften des Klubs seine Schuhe, doch dann wurde er langsam aber sicher bei den Profis integriert. Im Alter von zarten 16 Jahren war es dann auch schon so weit, der zentrale Mittelfeldspieler gab ausgerechnet gegen den Rivalen aus Eindhoven sein Debüt.
Vorerst war diese Einwechslung sein letzter Einsatz, denn in der Folgezeit baute man den Rechtsfuß zunächst einmal behutsam auf. Erst ab der Saison 2020/21 kam er dann konstant zu Einsatzzeit, etablierte sich sogar direkt in der Startelf des niederländischen Top-Klubs.
Seine Leistungen wurden so konstant, sodass er mittlerweile ebenfalls fester Bestandteil der niederländischen A-Nationalmannschaft ist und bereits eine Vielzahl an nationalen als auch einen internationalen Titel gewinnen konnte. Entsprechend plant der 19-Jährige, der als eher introvertiert und ruhig beschrieben wird, in diesem Sommer den nächsten Schritt in seiner Karriere.
Transfer zum FC Bayern München steht bevor
Zum einen fühlt sich Gravenberch bereit für den nächsten Schritt, zum anderen läuft sein Vertrag nur noch bis Sommer 2023. Einen ablösefreien Transfer möchte er seinem Klub nicht antun, einem Wechsel für diesen Sommer soll Ajax bereits grünes Licht gegeben haben.
Besonders der FC Bayern München wird heiß gehandelt und führt hinter den Kulissen nicht nur Verhandlungen mit Ajax, sondern auch bereits intensiv mit Gravenberchs Star-Berater Mino Raiola. Einem Wechsel nach München soll er nicht abgeneigt sein und zeigte zuletzt in einem Interview auch seine Zuneigung für den FC Bayern.
Doch welche Qualitäten hat der 19-Jährige genau, die den FC Bayern reizen und weswegen er immer wieder mit Paul Pogba verglichen wird?
Stärken: Hauptsächlich kommt Gravenberch bei Ajax Amsterdam im linken zentralen Mittelfeld des klassischen 4-3-3-Systems zum Einsatz. Aber auch in einem 4-2-3-1 kann er als einer der beiden zentralen Mittelfeldspieler eingesetzt werden und hält sich an die taktischen Vorgaben.
Beeindruckend sind hier seine Spielintelligenz sowie sein Positionsspiel in seinen noch jungen Jahren. Permanent scannt er das Spielfeld und reagiert bestens auf die entsprechende Spielsituation. Dabei bietet er sich mal tief in der eigenen Hälfte für den Spielaufbau an, in der nächsten Situation steht er etwas höher zwischen den gegnerischen Linien und treibt nach Erhalten des Balles das Offensivspiel an.
Herausragende progressive Ballführung
Erkennen kann man Gravenberch schnell an seiner körperlichen Präsenz, die der Niederländer bereits in jungen Jahren ausstrahlt. Dabei bringt er eine einzigartige Mischung aus Athletik, Physis, Ausdauer und einer gewissen Geschwindigkeit mit, die so nur wenige Spieler zu bieten haben und tatsächlich etwas an den jungen Paul Pogba erinnert.
Hervorzuheben ist vor allem seine enorme Arbeitsrate, sowohl nach vorne als auch nach hinten. Nach Ballgewinn oder Ballverlust schaltet Gravenberch schnell um und ist im Umschaltspiel ein wichtiger Faktor für Ajax. Auffällig ist dabei, wie stark Gravenberch das Spiel mit seinen progressiven Läufen durchs Mittelfeld antreibt.
Im Hinblick auf diese progressive Ballführung ist er auf seiner Position in ganz Europa sogar bereits einer der besten Spieler überhaupt. Besonders deswegen, da er durch seine starke Ballführung in Kombination mit seiner Größe, Physis sowie seinem Durchsetzungsvermögen nur schwer zu stoppen ist. Seinen Körper weiß er hier immer wieder äußerst geschickt einzusetzen.
Durchsetzungsstark im Dribbling
Grundsätzlich wirkt Gravenberch am Ball nicht nur elegant und ruhig, sondern auch sehr selbstbewusst. Selbst unter gegnerischem Druck handelt er mit kühlem Kopf und weiß sich zu befreien. Das hilft ihm natürlich in seinen Dribblings, in welchem er dem Druck durch elegante, schnelle Richtungsänderungen regelmäßig auszuweichen weiß und anschließend nach vorne aufdreht.
In Bezug auf abgeschlossene Dribblings pro Spiel gehört er daher auf seiner Position aktuell zu den besten Spielern in Europa. Auch seine Quote an erfolgreichen Dribblings ist mit rund 66 Prozent außerordentlich gut, besonders für einen zentralen Mittelfeldspieler, und unterstreicht nochmal seinen Wert für das eigene Team.
Außerordentliches Passspiel & Entscheidungsfindung
Doch natürlich sind es nicht nur diese Qualitäten am Ball, die ihn für seine Mannschaft so wertvoll machen. Beeindruckend sind neben seinen progressiven Läufen und seinem Dribbling eben auch seine Qualitäten im Passspiel. Hier glänzt Gravenberch mit einem sicheren, klugen und äußerst sauberen Kurzpassspiel, auch mit seinem etwas schwächeren linken Fuß.
Auch sein Passspiel ist hier überwiegend progressiv ausgerichtet. Immer wieder kann er mit seinen Pässen das Spiel beschleunigen und die eine oder andere Abwehrlinie durchbrechen. Entscheidend dafür sind in diesem Fall, dass er das Spiel lesen kann, stets die Übersicht über das Spielgeschehen behält und eine gute Entscheidungsfindung aufweist. Gravenberch hat hier einfach ein gutes Gefühl dafür, wann er welchen Pass spielen kann und wann eben nicht.
Zweikampfstärke gegen den Ball
Gravenberch denkt allerdings nicht nur offensiv, sondern arbeitet auch defensiv gut mit. Auch gegen den Ball behält er den Überblick über die jeweilige Spielsituation und bringt sich gut ein. In direkten Duellen zeigt er sich stets eng und aggressiv am Gegenspieler, gewinnt insgesamt diese Saison rund 57 Prozent seiner Zweikämpfe. Auch in der Luft ist er aufgrund seiner Größe und Physis nur schwer zu bezwingen, rund 64 Prozent seiner Duelle gewinnt er hier.
Abseits dieser Stärken in der Zweikampfführung zeigt er generell ein gutes Verständnis und Gefühl für das eigene Defensivverhalten. Hier verfügt er über ein Gespür für die jeweilige Situation und erkennt, wann er beispielsweise einen Ball abfangen kann oder einfach klären sollte.
Schwächen: Gravenberch ist mit seinen 19 Jahren noch sehr jung, dennoch wirkt sein Gesamtpaket bereits sehr rund. Nur wenige Dinge sind bei genauerer Betrachtung aufgefallen. Eine davon waren seine langen Bälle. Lediglich 56 Prozent seiner langen Pässe kamen auch wirklich bei einem Mitspieler an, es besteht Verbesserungspotenzial.
Zudem ist in den vergangenen Wochen immer wieder aufgefallen, dass bei Gravenberch bei höheren Führungen von Ajax ein gewisser Spannungsabfall zu beobachten ist. Hier schaltet er häufiger ein wenig ab, agiert deutlich weniger fokussiert und konzentriert. Das ist auch Erik ten Hag zuletzt sauer aufgestoßen. Allerdings kann man das durchaus mit seinem Alter begründen und mit mehr Erfahrung wird Gravenberch das sicher abstellen.
Prognose: Die Vergleiche von Gravenberch mit Paul Pogba kommen wahrlich nicht von ungefähr. In Bezug auf die Statur und Spielweise ähneln sich die beiden durchaus ein wenig, auch wenn Pogba deutlich mehr Torgefährlichkeit aufweist als Gravenberch es aktuell tut. Doch Gravenberch ist eben eher der Antreiber, die Passmaschine und gegen den Ball ein wahrer Zweikämpfer.
Ohne Frage besitzt er dabei das Potenzial, es in die Riege der absoluten Weltklassespieler zu schaffen. Dafür hat er alle nötigen Anlagen, muss seine Leistungen allerdings noch konstant in einer größeren Liga bei einem größeren Verein unter Beweis stellen und so an seinen Aufgaben weiter wachsen.
Entsprechend plant Gravenberch bereits in diesem Sommer den nächsten Schritt und wahrlich alles deutet aktuell auf einen Wechsel zum deutschen Rekordmeister FC Bayern München hin. Dort muss er sich natürlich erstmal dem Konkurrenzkampf stellen und sich seine Stellung im Team erarbeiten. Doch schafft er das und behauptet sich gegen die starke Konkurrenz, werden sowohl Verantwortliche als auch Fans in Zukunft viel Freude an einem der talentiertesten zentralen Mittelfeldspieler der Welt haben.
Autor: Florian Först || Stand: 28.03.2022
