Football's Next Generation – die Fußballstars von morgen
 
Rafael Leão – der dribbelstarke Unterschiedsspieler


Der AC Mailand spielt erneut eine starke Saison und ist im Titelrennen der Serie A mittendrin statt nur dabei. Neben einer äußerst geschlossen auftretenden Mannschaft sind es auch Einzelspieler wie Rafael Leão, die in den entscheidenden Momenten und Spielen den Unterschied ausmachen.

Besonders Leão spielt in dieser Spielzeit groß auf und zeigt seit seiner Ankunft in Mailand seine wohl besten Leistungen. Doch wer ist der junge Portugiese, der zusammen mit Theo Hernández die herausragende linke Außenbahn des Klubs bildet?

Schwierige Kindheit & Fußball als Ausweg

Rafael Alexandre da Conceição Leão kam im Juni 1999 im portugiesischen Almada als eines von sechs Geschwistern zur Welt. Seine Kindheit gestaltete sich schwierig, schließlich gehörten seine Eltern eher der unteren Mittelschicht an und mussten um das Überleben der Familie kämpfen.

Der Fußball spielte schnell eine große Rolle im Leben von Rafblinks, wie er von Freunden genannt wird. Häufiger verpasste er das Mittag- oder Abendessen mit der Familie, um stattdessen lieber mit Freunden auf der Straße zu kicken. Entsprechend abgenutzt und dreckig waren auch schnell seine Klamotten, sehr zum Ärger seiner Eltern.

Den Fokus auf die Schule hatte er wie viele andere heutige Fußballprofis nicht wirklich. Er wollte lieber seinen Traum vom Profifußball verfolgen und trainieren. Eine heikle Situation, denn am Ende schaffen es nur die wenigsten wirklich zum Profifußballer.

„Ich konnte mich nicht auf meine Bildung konzentrieren, weil ich meinen Traum verfolgen wollte. Manchmal bin ich nach der Hälfte des Unterrichts für Training gegangen. Ich hatte nicht das Schulleben wie manch anderer.” (Rafael Leão)

Erste Station Amora

Seine fußballerische Laufbahn nahm bereits in jungen Jahren Fahrt auf. Im Alter von lediglich sieben oder acht Jahren sahen Scouts von Amora, einem regionalen Fußballverein, die Dribblings des Rechtsfußes. Man war von den Fähigkeiten des Portugiesen begeistert und lud ihn in den Verein ein. In der Folgezeit merkte Leão schnell den Unterschied zwischen Straßenfußball und dem in einer Akademie, konnte sich jedoch schnell akklimatisieren.

Auch bei Amora zeigte Leão seine herausragenden Fähigkeiten und stach aus der Mannschaft heraus. Entsprechend war es nicht sehr verwunderlich, dass am Ende die großen Klubs aus Lissabon auf Leão aufmerksam wurden. Fans und Verantwortliche von Benfica Lissabon zeigten sich beeindruckt, doch die Verantwortlichen wollten ihn zunächst einmal in der Jugend von Foot 21 spielen sehen. Dort sollte er eine Saison lang bleiben und dann zu Benfica wechseln.

Doch dieser Plan scheiterte am Ende. Seine Eltern konnten sich die Fahrten zum Training auf Dauer nicht leisten, der Wechsel zu Benfica platzte. Doch wenn sich die eine Tür schließt, öffnet sich bekanntlich eine andere und so führte ihn sein Weg schließlich in die Jugend von Sporting Lissabon. Rückblickend betrachtet, hätte es für Leão kaum besser laufen können.

Sporting Lissabon – der nächste Karriereschritt

Bei Sporting durchlief Leão in der Folgezeit sämtliche Jugendmannschaften und war gleichzeitig stets Teil der U-Nationalmannschaften Portugals. Seine früheren Trainer waren vollends des Lobes, Tiago Tomas drängte laut eigenen Aussagen Profi-Coach Jorge Jesus schließlich auch dazu, ihn für die erste Mannschaft zu berücksichtigen.

„Ich habe Jorge Jesus dazu gedrängt, ihn für die erste Mannschaft zu berücksichtigen: Ja, Gelson Martins hat Talent, aber Rafael ist der beste Spieler in der Geschichte der Sporting-Akademie.” (Tiago Tomas, früherer Mentor bei Sporting Lissabon)

Sein Profidebüt ließ letztendlich nicht lange auf sich warten. Bereits im Alter von zarten 18 Jahren feierte Leão im portugiesischen Pokal gegen den ARC Oleiros seinen ersten Einsatz, gekrönt mit seinem ersten Profitor in Folge seiner Einwechslung. Langsam aber sicher wurde er nun immer mehr an das Profiteam herangeführt und wusste zu gefallen, doch seine Zukunft sollte nicht in Portugal liegen.

Erster Wechsel ins Ausland

Im Mai 2018 kam es zu unfassbaren Szenen rund um den Trainingskomplex von Sporting. In Folge einer Niederlage in der Liga NOS stürmte eine Gruppe maskierter Hooligans das Trainingsgelände und attackierte die eigenen Spieler. Kein Wunder, dass nun einige Akteure den Verein verlassen wollten und das am Ende auch taten. Einer davon war auch der international hochgehandelte Leão, der sich nun seinen nächsten Klub förmlich aussuchen konnte.

Borussia Dortmund und weitere Top-Klubs hatten jedoch das Nachsehen, die Spielzeit stand für den immer noch sehr jungen Mittelstürmer im Vordergrund. Leão schloss sich ablösefrei dem LOSC Lille an. Im Team von Christophe Galtier sollte er fortan eine tragende Rolle spielen und den bestmöglichen Verein für seine Entwicklung gefunden haben.

„Er ist ein Spieler zum Haare raufen kannst, aber ein paar wenige Minuten später bringt er dir wieder Hoffnung und ein Lächeln.” (Christophe Galtier, Ex-Trainer bei LOSC Lille)

Neuer Hoffnungsträger in Mailand

Seine Leistungen in seinem ersten Jahr in Frankreich waren derart gut, sodass bereits ein Jahr später die Interessenten Schlange standen und der nächste Schritt in Richtung Italien erfolgte. Seine Anlagen waren schlichtweg atemberaubend, seine Fähigkeiten und Potenzial außergewöhnlich. Aus diesem Grund ließ sich der AC Mailand den Transfer auch nahezu 30 Millionen Euro an Ablösesumme kosten.

Man war schlichtweg überzeugt von Leão, auch nachdem seine Startprobleme in Mailand offensichtlicher wurden. Generell lief es unter dem neuen Trainer Marco Giampaolo nicht wie gewünscht, die Ergebnisse und eine positive Entwicklung blieben aus. In einer nicht funktionierenden Mannschaft war es dann auch für Leão schwer sich zurechtzufinden. Das änderte sich dann aber mit dem Trainerwechsel zu Stefano Pioli.

Pioli versuchte in der Folgezeit verschiedene Systeme und Rollen mit und für Leão, am Ende etablierte sich der Portugiese dann im linken Mittelfeld. Hier konnte er seine Stärken ab sofort besser ausspielen und einen positiven Einfluss auf das Spiel des eigenes Teams ausüben. Zusammen mit Hernández bildete Leão, der an sich ein eher ruhiger Zeitgenosse ist und sich auch gerne mal zurückzieht, von nun an die starke linke Außenbahn des Meisterschaftsanwärters.

Vergleiche mit Thierry Henry werden lauter

Die Leistungen des portugiesischen A-Nationalspielers wurden besser und besser. Die logische Konsequenz dessen ist das große internationale Interesse an Leão. Vergleiche mit dem jungen Thierry Henry wurden laut und aufgrund seines nur noch bis 2024 laufenden Vertrages wurde auch das Interesse anderer Klubs größer.

Neben dem FC Arsenal und Newcastle United soll auch Borussia Dortmund Leão erneut im Visier haben. Besonders seine Variabilität mit möglichen Einsätzen auf den Außen und im Zentrum machen ihn für die Borussia interessant, zumal ein Abgang von Haaland im Sommer bevorzustehen scheint. Es sei aber dahingestellt, ob Leão den AC Milan überhaupt verlassen will. Die Italiener planen fest mit dem 22-Jährigen, haben ihn im letzten Winter für unverkäuflich erklärt. Nun visiert man sogar eine vorzeitige Vertragsverlängerung um zwei weitere Jahre an.

„Der junge Henry ist der Leao von heute. Die Charakteristiken der beiden Spieler sind dieselben. Man sieht sieht die Geschwindigkeit in den direkten Duellen und sie versuchen immer über die Außen die Defensive des Gegners zu brechen.” (Alessio Tacchinardi, Ex-Spieler von Juventus Turin)

Doch was macht Rafael Leão aus und aus welchem Grund sind so viele Vereine an ihm interessiert, dessen Vorbilder Neymar und Kaka sind?

Stärken: Leão ist in der Offensive in Folge seiner Umschulung vom Mittelstürmer zum Linksaußen variabler einsetzbar. Sowohl auf der Außenbahn als auch im Sturmzentrum kann er ohne Bedenken eingesetzt werden, als linker Mittelfeldspieler kann er allerdings aktuell seine Stärken am besten ausspielen und kommt daher beim AC Milan hier zum Einsatz.

Die Vergleiche mit Thierry Henry kommen hier nicht zufällig zustande, schließlich kam auch der Franzose oftmals über den linken Flügel und offenbarte seine Torgefahr. Leão treibt das Spiel seines Teams hier immer wieder entscheidend an und sucht Lücken in der gegnerischen Verteidigungslinie.

Unvorhersehbare Dribblings als Markenzeichen

In der Ballführung hat er sich in den vergangen Jahren stark verbessert, strahlt hier eine unvergleichbare Ruhe aus und wirkt sehr selbstbewusst. Immer wieder sucht er die direkten Eins-gegen-eins-Situationen mit seinen Kontrahenten und ist aufgrund seines unvorhersehbaren Dribblings oft nur mit einem Foul zu stoppen. Dabei sucht er stets den freien Raum im Rücken des Gegenspielers und weiß daher ganz genau, wann und wie er ins direkte Duell gehen will. Durchbricht er die Verteidigungslinie, wird es für den Gegner brandgefährlich.

In diesen Dribblings helfen ihm neben seinen Fähigkeiten am Ball aber gleichzeitig noch andere Faktoren, die ihn in vielen weiteren Spielsituationen äußert begehrenswert für das eigene Team machen. Seine Athletik und sein Tempo sind dabei ganz entscheidende Faktoren in seinem Spiel. Dank seiner guten Physis, Power und Fitness meidet er niemals die direkten Duelle mit Gegenspielern, kann sich daher in direkten Zweikämpfen und im Dribbling durchaus behaupten.

Hinzu kommen die bereits erwähnt hohe Geschwindigkeit, sein außergewöhnlicher Antritt sowie seine Beweglichkeit. Als Gegenspieler muss man durchaus aufpassen, nicht einfach von Leão überlaufen zu werden. Denn gibt man ihm zu viel Platz, ist der Portugiese nur schwer zu stoppen und kaum mehr einzuholen. Aber auch in engen Räumen und unter gegnerischem Druck hat sich der Angreifer stark verbessert, findet auch dank guter Balance und schnellen Richtungsänderungen immer wieder Lösungen. Am Ende stehen in den Notizbüchern derzeit rund 61 Prozent erfolgreiche Dribblings, womit er zu den Top-Spielern in Europa gehört und seine Fähigkeiten nochmals unterstreicht.

Deutliche Verbesserung im Torabschluss

Die Paradedisziplin eines Angreifers ist und bleibt allerdings das Toreschießen. Seine Torausbeute in den letzten Jahren war diesbezüglich nicht auf dem allerhöchsten Level anzusehen. Doch in Sachen Torgefahr und Abschluss hat sich Leão in Mailand deutlich gesteigert. Seine Abschlüsse sind mittlerweile sehr präzise und landen zumeist auf dem gegnerischen Tor. Hier weist er eine Quote von 42,5 Prozent auf, was ein guter Wert für einen Angreifer seiner Güteklasse ist.

Auch seine eigene Torausbeute hat er deutlich erhöht und könnte in dieser Saison zum ersten Mal zweistellig treffen. Das hat vor allem mit seiner höheren Effizienz zu tun, denn vor dem Tor wirkt er mittlerweile ruhiger, abgeklärter und teilweise eiskalt. Seine Anzahl an erzielten Treffern ist bislang auch deutlich höher als sein xG-Wert es aussagt, was seine Steigerung in diesem Bereich verdeutlicht.

Schwächen: Nach all diesen Stärken von Leão müssen wir aber gleichzeitig auch noch auf seine Schwächen zu sprechen kommen. Dabei fällt immer wieder auf, dass ihm zu leichte Abspielfehler unterlaufen. Natürlich geht man als Offensivspieler immer wieder Risiken ein, auch im Passspiel. Doch eine Passquote von derzeit rund 75 Prozent ist dabei unterdurchschnittlich für einen Spieler seiner Position.

Zudem weist Leão ebenfalls Schwächen in Bezug auf progressive Pässe auf. Oftmals sucht er hier den Querpass, spielt den Ball zurück oder sucht sein Glück in einer Einzelaktion. Aus diesem Grund ist auch in dieser Hinsicht noch durchaus Luft nach oben vorhanden.

Ein weiterer Schwachpunkt ist weiterhin sein Defensivverhalten und die Mitarbeit gegen den Ball. Zwar hat er sich hier schon verbessert und nimmt seine defensive Rolle mehr an, allerdings übt er oftmals nur wenig Druck auf den Gegner aus, führt wenig defensive Zweikämpfe und fängt nicht wirklich viele Bälle des Gegners ab. In all diesen Kategorien ist er eher unterdurchschnittlich, Potenzial zur Verbesserung ist entsprechend vorhanden.

Prognose: Rafael Leão ist ganz ohne Frage weltweit einer der spannendsten und vielversprechendsten Offensivspieler seiner Altersklasse. Man darf gespannt sein, welche Entwicklungsschritte er in naher Zukunft geht und ob er den Sprung in die Riege der Weltklassespieler schaffen wird. Zutrauen sollte man es ihm allemal, denn das Potenzial dafür hat er zweifellos.

Ein wichtiger Baustein für seine Zukunft wird sein, wo er diese sieht. Entscheidet er sich nun für einen Wechsel zu einem internationalen Top-Klub und spielt bereits in den nächsten Jahren um den Titel in der Champions League mit oder bleibt er noch ein paar Jahre beim AC Mailand und geht erst später diesen nächsten Schritt. Aktuell sieht zwar alles nach einer Vertragsverlängerung aus, doch im Fußball weiß man bekanntlich nie. Einen Wechsel nach England sollte man an dieser Stelle grundsätzlich nicht ausschließen, Zeitpunkt offen.

Autor: Florian Först || Stand: 21.02.2022
 
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